6.2.  Upload-Motive

Nachdem ich einige Gründe genannt habe, die dafür bzw. dagegen sprechen, sich Daten aus Tauschbörsen zu beschaffen, möchte ich nun klären, warum die Nutzer auch Daten anbieten, was ihnen - im Gegensatz zum Download - keinen unmittelbaren Nutzen bringt.

Das Prinzip beruht zwar grundsätzlich darauf, dass jeder, der etwas nimmt, auch etwas geben muss; es gibt jedoch auch Modifikationen bei den verschiedenen Tauschbörsenprogrammen, Leecher Mods genannt, die es ermöglichen, den Upload zu unterbinden. Mod steht dabei für Modifikation, also Abwandlung des Originalprogrammes, und die Anwender solcher Einstellungen werden als Leecher bezeichnet. Es gibt mehrere Gründe für den Einsatz solcher Mods. Zum einen wollen Nutzer Datenübertragungsvolumen sparen, wenn sie einen Internetanschluss haben, bei dem nach Übertragungsvolumen abgerechnet wird. Ein weiterer Grund ist das Freihalten der meist relativ geringen Upload-Bandbreite für andere Dienste. Schließlich geht es aber hauptsächlich darum, dass keine urheberrechtlich geschützten Werke angeboten, aber trotzdem heruntergeladen werden können - damit hofft man wohl, einer Anklage zu entgehen. Je häufiger aber ein solcher Leecher Mod genutzt wird, desto stärker wird ein Netzwerk geschwächt.22

Es bestehen also durchaus signifikante Anreize, selbst nichts zum Upload bereitzustellen. Dennoch wird es mehrheitlich so nicht gehandhabt. Warum? Denkbare Gründe wären: Modifizierbare Programme sind nicht so einfach auffindbar evtl. sogar schwieriger zu handhaben oder genießen nicht dasselbe Vertrauen wie das Original. Dies würde sicherlich schon einige Nutzer davon abhalten, den Upload zu blockieren. Es gibt jedoch noch einen weiteren wichtigen und sehr einfachen Grund: Menschen sind in der Regel bestrebt, eine gute Tat zu erwidern. Man bezeichnet diesen Effekt als Reziprozitätsnorm oder Regel der Gegenseitigkeit. Wenn also Person A der Person B etwas Gutes getan hat, wird B als Dank dem A auch etwas Gutes tun; dies gilt auch, wenn Person B nicht um die entsprechende Tat gebeten hat. Zudem wird B bestrebt sein, wertmäßig mehr zurückzugeben, als sie bekommen hat. Somit beugt sie der Möglichkeit vor, dass sie die Tat zu gering eingestuft hat oder ihre Erwiderung als Tat aus einer Verpflichtung heraus gesehen wird. Dies hängt damit zusammen, dass niemand gerne als jemand angesehen wird, der andere Leute ausnimmt; des Weiteren hat niemand gerne Schulden. Dieser Effekt wird auch dann beobachtet, wenn man dem Gegenüber nicht direkt begegnet. So kamen bspw. viel mehr Personen der Bitte nach, einen Fragebogen auszufüllen, wenn dem Brief mit den Fragen etwas Geld bei lag.23 Auf unsere Fragestellung übertragen bedeutet die Regel der Gegenseitigkeit, dass man dem Netzwerk etwas zurückgeben möchte, da man ja etwas von ihm bekommen hat, nämlich das gewünschte Informationsgut. Verstärkt wird dieser Effekt sicher dadurch, dass man weiß, dass die Mehrheit der Netzteilnehmer aus rein privaten Gründen teilnimmt, hier also der Robin Hood-Effekt nicht zum Tragen kommt.

In einigen Bereichen gibt es aber auch einen Wettbewerb: Wer als Erster eine qualitativ hochwertige Kopie bereitstellt, wird in so genannten Releasegruppen mit Hochachtung belohnt. Dazu werden bspw. Filme in Kinos abgefilmt und dann zunächst im kleinen Kreis weitergegeben, später werden sie auf Webservern gegen Bezahlung angeboten und gelangen letztendlich in die Tauschbörsen. Auch in letzterem Bereich gibt es finanzielle Interessen von Internetseitenbetreibern, die Links auf entsprechende Dateien bereitstellen und mit auf diesen Seiten angezeigter Werbung Geld verdienen.24

22vgl.: o.V.: P2P No Upload Mods - Der Hype „Leecher” (Ohne Upload) Mods. Netzartikel vom 17.01.2006. online: http://www.00de.de/01/2006/p2p-no-upload-mods-der-hype-leecher-mods/(11.04.2008 16:00)

23vgl.: Werth, Liober: Psychologie für die Wirtschaft. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2004, S. 90-93

24vgl.: Deterding, Sebastian: Ein Interview mit Christine Ehlers von der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU). Netzartikel vom 29.02.2008. online: http://www.bpb.de/themen/7UGJ1L,0,Sand_im_DVDBrenner.html(11.04.2008 23:00)

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