6.1.1.  Individuelles Rechtsverständnis

Da das Verbreiten und der Bezug urheberrechtlich geschützter Werke ohne eine entsprechende Lizenz nicht gestattet ist, müssen wir uns die Frage stellen, ob und warum sich so viele Menschen dem Recht widersetzen? Hierzu gibt es verschiedene Erhebungen, in denen untersucht wurde, ob Leute ihr Vorgehen überhaupt als widerrechtliche Handlung einstufen. Nur 40 % der in einer Studie befragten amerikanischen Tauschbörsennutzer hielten es für ein Vergehen, geschützte Filme herunterzuladen, hingegen bezeichneten 78 % das Mitnehmen einer unbezahlten DVD aus einem Laden als ein Vergehen. Als Grund gaben viele Befragte an, dass die Unterhaltungsunternehmen besonders reich seien. Man hat es hier mit dem so genannten Robin-Hood-Effektzu tun, bei dem Rechtsbrecher davon ausgehen, dass es keinen Armen treffe, auch wenn Unternehmen Umsatzeinbußen durch den kostenfreien Download erleiden. Insgesamt gaben 18 % (32 Millionen) der US-Amerikaner über 12 Jahren an, schon einmal einen Film heruntergeladen zu haben, allein 20 Millionen taten es (erneut) im letzten Monat, was auf eine Regelmäßigkeit schließen lässt.3 Ein weiterer Grund für das mangelnde Unrechtsbewusstsein könnte die fehlende Rivalität im Konsum sein. Der Nutzer weiß, dass er das Werk niemandem wegnimmt, d.h. derjenige, der die Kopiervorlage zur Verfügung gestellt hat, kann diese weiterhin ohne Qualitätseinbußen nutzen. Zudem gilt das Prinzip sozialer Bewährtheit, welches bedeutet: „Wenn viele Personen etwas tun, nehmen wir an, dass es das Richtige ist.”4 Wenn also die allgemeine Meinung in Bezug auf Tauschbörsen schlecht wäre und nur wenige Personen sie nutzen würden, so wären deren Erfolge eher gering. Da die Tauschbörsen aber hoch frequentiert sind, hat sich die landläufige Meinung durchgesetzt, dass sie so schlecht nicht sein könnten bzw. dass es in Ordnung sei, sie zu nutzen. Abgesehen davon braucht eine Tauschbörse immer eine gewisse Nutzerzahl, um gut zu funktionieren, worum es hier jedoch nicht vorrangig geht. Im Widerspruch dazu steht aber andere Umfrage in den USA, die ergab, dass 80 % das Schwarzkopieren von Musik als Diebstahl ansehen, 92% gaben an, es noch nie getan zu haben. Weiterhin ergab diese Erhebung aber auch, dass dreiviertel der Befragten CDs für zu teuer halten und 58 % der Meinung sind, dass sich die künstlerische Qualität in der letzten Zeit verschlechtert habe. Die Musikindustrie sei also hauptsächlich selbst Schuld an ihren Umsatzeinbußen.5

3vgl.: Ackerman, David und Yigit, Kaan: Movie File-Sharing Booming. Studie vom 24.01.2006. online: http://www.srgnet.com/pdf/Movie%20File-Sharing%20Booming%20Release%20Jan%2024%2007%20Final.pdf(10.03.2008 01:57)

4Werth, Liober: Psychologie für die Wirtschaft. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2004, S. 84.

5vgl.: o.V.: Kein Mitleid mit Musikindustrie. Netzartikel vom 03.02.2006 (07:00). online: http://futurezone.orf.at/it/stories/87252/(03.04.2008 23:30)

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