Nehmen wir nun an, dass die richtige IP-Adresse und der tatsächliche Anschlussinhaber ausfindig gemacht werden konnten. Doch dann ergibt sich schon das nächste Problem: Wer hat den Anschluss genutzt, um unerlaubterweise Kopien anzubieten? Möglichkeiten gibt es nämlich viele: Familienangehörige, wobei hier unterschieden werden muss, in wie weit diese strafmündig sind, Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft oder Dritte, die ohne Erlaubnis des Anschlussinhabers auf ein drahtloses Netzwerk zugreifen. Letzteres kann passieren, wenn ein drahtloses Netz nicht oder nicht ausreichend gesichert ist. In diesem Zusammenhang vertritt die Musik- und Spieleindustrie aber den Standpunkt, dass der Anschlussinhaber immer verantwortlich sei. Der Rechtsanwalt Johannes Richard verweist jedoch darauf, dass es diesbezüglich keine einschlägigen Urteile gebe. Er geht davon aus, „. . .dass der Anschlussinhaber wohl dann nicht haftet, wenn er nicht wusste und auch nicht wissen konnte, was über seinen Anschluss gelaufen ist.” Diese Aussage lässt bedauerlicherweise gänzlich offen, was der Anschlussinhaber wissen konnte und was nicht. Angenommen ein technischer Laie wusste nicht, dass er sein Netz hätte absichern müssen, so bleibt es Auslegungssache, ob er sich darüber hätte informieren und gegebenenfalls einen Techniker mit dem Einrichten eines sicheren Netzwerkes hätte beauftragen müssen. Doch prinzipiell bietet keine Verschlüsselung absolute Sicherheit, auch wenn sie möglicherweise den Zugriff auf ein Netz so erschwert, dass niemand den erforderlichen Aufwand betreiben würde. Weiterhin ist zudem unklar, ob der Anschlussinhaber für Mitnutzer haften muss. Eltern haften bspw. für ihre Kinder nur dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Ob aber Eltern bei der Nutzung des Internets durch ihre Kinder überhaupt eine Aufsichtspflicht haben, und wie weit diese generell reichen kann oder muss, ist im Grundsatz bisher noch nicht geklärt worden. Zumal Kinder durchaus technisch versierter sein können als ihre Eltern. Jugendliche sind zwar mit Beendigung des 14. Lebensjahres bedingt strafmündig, doch das Urheberrecht ist so komplex, dass sie mit diesem nicht vertraut sein müssen. Außerdem ist noch nicht abschließend geklärt, ob Eltern überhaupt eine Unterlassungserklärung für ihr Kind unterzeichnen können. Denn ein beschränkt Geschäftsfähiger kann ein derartiges Rechtsgeschäft eigentlich nicht tätigen. Deshalb sollte man bei einer Abmahnung sofort rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen, insbesondere dann, wenn man sich keiner Schuld bewusst ist. Grundsätzlich ist es ratsam, das Heimnetzwerk möglichst sicher zu konfigurieren, und auch mit seinen Kindern über die Problematik von Urheberrechtsverletzungen zu sprechen, damit Unrechtsbewusstsein geweckt wird, was Abmahnungen am ehesten vorbeugt.21
Das Landgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil22 festgestellt, dass der Anschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich sei, die ein Dritter über sein ungeschütztes Netzwerk getätigt habe. Der Beschuldigte gab an, zum Tatzeitpunkt im Urlaub gewesen zu sein und seinen Computer abgeschaltet zu haben, weshalb er nicht für die Rechtsverletzungen in Frage käme. Das Gericht sah es aber als zumutbar an, sich über die Gefahren möglicher Rechtsverletzungen durch ungesicherte Netzwerke zu informieren, und gegebenenfalls - auch gegen Bezahlung- fachkundige Hilfe einzuholen. Die einstweilige Verfügung wurde somit bestätigt.23
Und das Landgericht München I musste die Frage klären,24 ob ein Arbeitgeber für seine Angestellten, die Urheberrechtsverletzungen über Firmennetzwerke begehen, haften müsse. Im konkreten Streitfall hatte ein für den Internetauftritt zuständiger Praktikant Musikstücke über eine Tauschbörse angeboten. Daraufhin wurde der Arbeitgeber abgemahnt. Er unterschrieb auch eine Unterlassungserklärung, doch für den Schadenersatz und die fälligen Anwaltsgebühren wollte der Arbeitgeber nicht aufkommen. Deshalb klagte er auf negative Feststellung. Und das Gericht hat der Klage des Arbeitgebers weitgehend stattgegeben. Denn bei der Beurteilung des Falls war die im Verkehr notwendige Sorgfalt ausschlaggebend. Obwohl der Arbeitgeber seine Computer nicht mit einer Firewall ausgestattet hatte, war er nach sorgfältiger Prüfung von der Zuverlässigkeit des Praktikanten überzeugt, und auch alle bisherigen Erfahrungen ließen nicht vermuten, dass Arbeitnehmer beruflich bereitgestellte Computer für Urheberrechtsverletzungen missbrauchen würden. Sobald ein Arbeitgeber aber Kenntnis von Urheberrechtsverletzungen eines angestellten Arbeitnehmers erlangt, müsse er sofort Gegenmaßnahmen ergreifen, die bis zur Sperrung des Internetanschlusses reichen könnten. Der Fall sei, so das Gericht, ähnlich gelagert wie die Beziehungskonstellation zwischen Eltern und Kindern, wobei hierbei aber auf ein Gerichtsurteil Bezug genommen wurde, das einer Haftung der elterlichen Anschlussinhaber für ihre volljährigen Kinder nicht zustimmte.25 Es sei angemerkt, dass es keine einheitliche Rechtssprechung bezüglich der Haftung von Eltern für ihre Kinder gibt. Und das Landgericht Köln hat diesbezüglich festgestellt, dass es allgemein bekannt sei, dass Minderjährige unter Umständen Tauschbörsen nutzten. Deshalb sei derjenige, der Kindern den Internetzugang ermögliche, ein Störer, der - obwohl er selbst nicht Täter sei- jedoch mittelbar an der Rechtsverletzung mitgewirkt habe. Das generelle Problem ist aber häufig, dass weder Eltern noch Kinder wissen, dass das Beziehen und das Verbreiten geschützter Werke über Tauschbörsen ohne entsprechende Lizenz nicht erlaubt ist. Das Landgericht Köln schreibt Eltern Handlungspflichten dahingehend vor, dass sie für ihre Kinder eigene Benutzerkonten einrichten und die Berechtigungen ihrer Kinder mit Hilfe einer Firewall konkretisieren müssten. Wachsamkeit ist geboten, denn Abmahnende können derzeit noch den Gerichtsstand frei wählen.26
Ich persönlich halte die gemachten technischen Vorgaben für nicht wirksam, da - wie oben bereits beschrieben- das eD2k-Netz selbst bei Einschränkungen durch eine Firewall funktioniert.
Ein anderer Artikel schlägt vor, minderjährige Kinder nach Alter, Charakter, Bildung und somit zu erwartender Gefahr einer Rechtsverletzung zu überwachen. Erwachsene Familienangehörige hingegen müssten nicht eingewiesen oder überwacht werden, wenn sie keine Anzeichen möglicher Urheberrechtsverletzungen aufweisen.
Widerhandlungen können aus strafrechtlicher Sicht mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren belegt werden. Doch das Festlegen von Schadenersatzzahlungen ist sehr komplex, da man nicht unbedingt davon ausgehen kann, dass ein heruntergeladenes Lied einem verhinderten Kauf gleich kommt. In einem Fall, der mit über 8.000 angebotenen Musiktiteln wohl einer der größten war, musste der Beklagte 15.000 Euro Schadenersatz und darüber hinaus noch eine Strafzahlung von 90 Tagessätzen leisten, so dass er damit vorbestraft war. Speziell die Schadenersatzforderungen hängen aber häufig mehr vom Anwalt als von der Schwere des Falls ab, was der Gesetzgeber zum Anlass nehmen sollte, eine einheitliche Regelung zu schaffen.27 Denn Internetzugangsanbieter kommen als Störer nicht in Frage.28
21vgl.: Weidemann, Tobias: Abgemahnt wegen Tauschbörse. In: Süddeutsche Zeitung, Artikel vom 02.02.2006 (10:37). online: http://www.sueddeutsche.de/computer/artikel/489/69420/(04.03.2008 14:00)
22vom 01.02.2007 - 2/3 O 771/06
23vgl.: o.V.: LG Frankfurt a. M.: Filesharing über ungesicherte WLAN-Verbindung. Netzartikel vom August 2005. online: http://www.lawcommunity.de/volltext/248.html(05.03.2008 01:30)
24Urteil vom 04.10.2007, Az.: 7 O 2827/07
25vgl.: o.V.: Internetrecht - Filesharing-Schadenersatz. online: http://www.internetrecht-rostock.de/filesharing-schadenersatz.htm(05.03.2008 14:00)
26vgl.: o.V.: Internetrecht - Filesharing-Pflichten-Eltern. Netzartikel vom 22.01.2008. online: http://www.internetrecht-rostock.de/filesharing-pflichten-eltern.htm(06.03.2008 02:00)
27vgl.: Palm, Wolfgang G.: Online - Rechtsanwaltskanzlei Dr.Palm - Bonn - @. Netzartikel vom 25.04.2008. online: http://www.palm-bonn.de/musik.htm(20.05.2008 16:33)
28vgl.: Krempl, Stefan: Provider in Österreich müssen Nutzerdaten herausgeben. In: Heise.de, Artikel vom 28.07.2005 (12:08). online: http://www.heise.de/newsticker/meldung/62208(10.03.2008 23:40)